Micky Remann kannte ein Paar in Berlin, das bei dem Community Radio 100 aktiv war. Der Mann konnte täuschend echt Donald Duck nachmachen, die Frau war sehr nett uns unsere wesentliche Ansprechperson bei Radio 100. Micky Remann hatte auch eine sehr gute Radioidee, die auf seinem Konzept des „Somnambulen Salon“ basierte. Die Traumzeit wurde zur Sendezeit erhoben und genauso traumartig wie im Schlaf floss die Sendung dahin. Am besten war, wenn die Zuhörer während der Sendung einschliefen.

Angefangen haben wir im September 1989. Ich war inzwischen ins Nordend gezogen und hatte extra eine 3-Zimmer-Wohnung gesucht, um einen gesonderten Raum für das Radiostudio zu haben. Auf den 11 qm haben wir dann einmal im Monat mit Home-Equipment die vierstündige Sendung in einem Rutsch durchproduziert. Peter Fey in der Rolle des Dr. Tieftraum, Micky Remann als er selbst und Mainhost der Sendung, Sevo hat in erster Linie die Musik ausgesucht, Petra Ilyes als Kurzwellenheidi und ich der zugegebenen etwas undankbaren Rolle von Schwester Petra, sehr wahrscheinlich, weil ich da gewohnt habe und mich um Getränke wie Snacks gekümmert habe.

Wie in der Traumzeit war in der Sendung alles möglich. Alles, was in unserem „Bedroom“-Studio passierte, ging auf Sendung, jeder Lachanfall, jede Panne, alle Gespräche. Ich habe die Sendungen jedenfalls als sehr lustig in Erinnerung. Einen kleinen Eindruck gab es in der KOMMBar am 24.02.2011, wie in dem Skype-Gespräch mit Micky Remann zu sehen ist.

Kommbar 2011

Skype Gespräch mit Micky Reman, 24.02.11

Anfang 1990 hat Rainer Zufall die Stimmung von Public Dream Time in einem Artikel in der Frankfurter Rundschau sehr gut eingefangen – Fastnachtsgrüße aus der Kuhwaldsiedlung.

Station-Rose Karte

Ebenfalls Anfang 1990 erschien sogar der Cassettensampler „The Best of Public Dream Time 1989“, der sich recht gut verkaufte. Das Beste aus dem Jahr 1990 haben wir ein Jahr später ebenfalls in 90 Minuten gepresst.

Public Dream Time lief auf Radio 100 in Berlin natürlich zu nachtschlafender Zeit, nämlich von 2 Uhr morgens bis 6 Uhr früh. Da um die Uhrzeit außer der Putzfrau niemand bei Radio 100 war, legte sie unsere Kassetten oder das DAT ein.

Uns gefiel die Vorstellung, dass ausgerechnet die Putzfrau unsere „Sendetechnikerin“ war. Ich habe mir immer einen Raum mit glattem Boden vorgestellt, die Putzfrau in geblümter Schürze wischt mit ihrem Mop den Boden. Zwischendurch geht sie ganz selbstverständlich und wie beiläufig zu dem Cassettenrecorder und drückt auf Play. Produziert haben wir die Sendung in der Regel von von 21 Uhr bis 2 Uhr früh. Nur einmal wollten wir es wirklich wissen und haben von 2 Uhr früh bis 6 Uhr durchproduziert, was schon hart war.

Moritz Reichelt, Cybergirl Nr. 98 Mercedes Postkarte, 1991

Postkarte 1991, Moritz Reichelt, Cybergirl Nr. 98 Mercedes

1992 erwachten wir allerdings ziemlich unsanft aus unserem Radio 100-Traum. Die Redaktion von Radio 100 hatte einen Geschäftsführer bestellt, der gegen die Redaktion putschte, alle rauswarf und tatsächlich damit durchkam. Warum auch immer, die rechtliche Konstruktion von Radio 100 war so, dass dies möglich war. Die Empörung war groß, aber die Redaktion kam nie wieder auf die Beine und der Geschäftsführer kommerzialisierte das Projekt. Ich weiß nicht, was daraus geworden ist.

In diesen Radiozeiten passierte musikalisch jedenfalls eine ganze Menge. Acid Jazz, Chillout, Rave, Neopsychedelic. Unter dem Schauspiel gab es den Club XS, in dem man donnerstags chillen konnte und in dem „The Orb“ echte Schafe mitbrachten. Im Bahnhofsviertel startete die Lissania Clubnacht und Elisabeth Engel holte als erste Gilles Peterson nach Frankfurt, den sie aus London kannte und der hier völlig unbekannt war. In Großbritannien starteten die illegalen Megaraves. Zumindest in der Musik bewegte sich etwas, wenn schon in Sachen Radio in Hessen die totale Stagnation eingetreten war.

„Public Dream Time“ lebte noch einmal auf beim ersten Radioversuch des jetzigen Radio X im Mai 1996. Der Prinz-Fotograf Ernst Stratmann kam ins Studio und wunderte sich, dass wir alle halb „schliefen“ oder im Schlafsack, aber mit dem Mikro in der Hand auf dem Boden lagen. Das Foto erschien dann auch so in Prinz.

•  17. März 2011